Interview mit Raynor Winn, Autorin der Bestseller 

Der Salzpfad und Die Wilde Stille

Portrait von älterer Frau mit langen blonden Haaren
© Raynor Winn

Für die Autorin Raynor Winn gehören lange Wanderungen in der Natur zu ihrem Leben, seit sie und ihr Mann Moth vor ein paar Jahren zwei Schicksalsschläge erlebten. Sie müssen ihre Farm in Wales verlassen und bei Moth wird eine unheilbare Krankheit diagnostiziert. Nur mit Rucksack und Zelt brechen sie auf zu einer Wanderung auf den wildesten Küstenpfad Englands, dem South West Coast Path. Die Wanderung verändert ihr Leben und inspiriert Raynor Winn zwei Bücher zu schreiben, die Bestseller werden: Der Salzpfad und Die Wilde Stille. Was die heilende Kraft der Natur für sie bedeutet und wie sich ihr Leben seit dem Erfolg ihrer Bücher verändert hat, erfahre ich von Raynor Winn im Interview, das wir per Zoom geführt haben.

Liebe Raynor, du bist Ende September 2021 mit deinem Mann Moth von einer viermonatigen Wanderung zurückgekehrt – wo hat die Wanderung begonnen und wo hat sie aufgehört?

Sie begann in Cape Wrath, an der nordwestlichen Ecke Schottlands. Und endete hier auf dem South West Coast Path in Polruan, an der Küste von Cornwall. Hier endet auch das Buch Der Salzpfad.  

 

Wie plant ihr eine Wanderung und wie spontan entscheidet ihr, wo ihr die Nacht verbringt?

Obwohl wir einen groben Plan für eine Wanderung haben, planen wir überhaupt nicht, wo wir schlafen werden, weil wir nie wissen, wie weit wir am Tag gehen können. Buchen wir im Voraus und kommen dann nicht so weit, müssten wir absagen, also entscheiden wir es eher spontan. Wenn wir am Nachmittag ein schönes Fleckchen finden, dann bleiben wir oder wenn die Dämmerung beginnt, stellen wir das Zelt einfach dort auf, wo es uns am besten gefällt. 

© Raynor Winn

Machst du dir Notizen während einer Wanderung?

Ich habe mir noch nie Notizen gemacht. Ich hatte auf jeden Fall keine Notizen für Der Salzpfad und die Wanderungen, über die ich in Die Wilde Stille geschrieben habe. Alles was wir hatten, waren die kleinen Notizen, die Moth am Rand unseres Reiseführers The South West Coast Path von Paddy Dillon geschrieben hat. Mit den Notizen habe ich gearbeitet, als ich Der Salzpfad schrieb. In dem Reiseführer gab es eine Beschreibung des Wanderweges und eine OS-Karte (topografische Landkarte), die den gesamten Weg abdeckte, der direkt durch den Reiseführer verlief. Diese drei zusammenzufügen war fast so, als wäre ich wieder auf dem Weg unterwegs. Ich konnte das Salz riechen, den Wind spüren, die Erinnerungen waren klar und deutlich. Aber dieses Mal habe ich auf der Wanderung ein paar Notizen gemacht. Es geht darum, langsam durch eine Landschaft zu laufen. Sie auf eine Weise zu absorbieren, wie man es nicht macht, wenn man nur schnell mit dem Auto oder Zug vorbeirauscht. Wenn du jeden Tag stundenlang in eine Landschaft eintauchst und tagsüber vielleicht zwei Gespräche mit Menschen führst, dann erinnerst du dich ganz klar daran, dass es einen Unterschied gibt. Also ja, dieses Mal habe ich mir Notizen gemacht.

Die Natur scheint schon immer eine wichtige Rolle in deinem Leben zu spielen, wie inspiriert dich die Natur?

Ich glaube die Ursache liegt in meiner Kindheit. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen. Ich habe den größten Teil meiner Kindheit nur auf Feldern oder im Wald verbracht, sehr verbunden mit der Natur und den Tieren. Sie ist ein Teil von mir. Wenn ich in die Natur gehe, spüre ich eine körperliche Reaktion und eine Zugehörigkeit, es gibt mir einen tieferen Sinn, Teil der Natur zu sein.

 

Sonnenuntergang Küste England
© Raynor Winn

Welche Jahreszeit gefällt dir am besten?

Ich liebe den Frühling. Wenn alles wieder zum Leben erwacht, voller Hoffnungen und Neuanfänge. Aber der Herbst ist auch ganz besonders. Ich liebe den Geruch des Herbstes, die Feuchtigkeit, die Blätter. Man spürt die Erde im Herbst mehr. 

Gibt es besondere Orte auf dem Land oder an der Küste, an die du immer wieder zurückkehrst?

Beides eigentlich. Die Süd-West-Küste Englands ist ein wirklich besonderer Ort für uns, weil diese Wanderung entlang des South West Coast Path alles für uns verändert hat. Bei Land`s End an der westlichsten Spitze Englands, dort wo das Land endet, ist es wild und mächtig. Hier bäumt sich das Wetter auf und kracht mit elementarer Gewalt auf die organischen Klippen. Man spürt die Freiheit. Ein Gefühl, Teil von etwas zu sein, das so viel größer ist als man selbst.

Vor Kurzem sind wir auf einer Wanderung durch einen Teil des Landes gelaufen, den wir zuletzt besucht haben, als wir ziemlich jung waren, in unseren Zwanzigern. Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr dort. In dieser felsigen, rauen Landschaft mitten im Land zu sein, fühlte sich fast so an wie zu Hause, weil es der Ort war, an dem wir aufgewachsen sind, wo wir zusammengewachsen sind, wo so viele Dinge begannen, die unsere Beziehung über all die Jahre beeinflusst haben. Ein wirklich besonderer Ort.

schmaler Wanderweg entlang der englischen Küste
South West Coast Path © Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0_Nilfanion

Was war das Wichtigste, das du auf der Wanderung gelernt hast?

Wir waren besorgt und verbittert, als wir die Wanderung begannen. Verbittert darüber, was uns passiert ist und besorgt, wie die Zukunft sich für Moth und seine Krankheit gestalten würde. Aber als wir wanderten, entdeckten wir, dass es eine Kraft gab, die uns erlaubte, einen Schritt nach dem anderen zu machen und all diese Gefühle von Wut und Verbitterung loszulassen, die wir in uns trugen. Und irgendwie begann es zu verblassen. Wir haben wirklich gelernt, wie man im Jetzt lebt und diesen Moment so zu genießen wie er ist. Denn alles, was wir hatten, war dieser Moment. Das hat uns viel gelehrt, vor allem uns nicht zu viele Gedanken darüber zu machen, was die Zukunft bringt. Oder Dinge zu bereuen, die wir nicht ändern konnten, sondern zu schätzen, wo wir gerade waren und den Moment so besonders wie möglich zu machen.

Was hat sich für dich verändert, seit du Der Salzpfad geschrieben hast?

Alles und nichts. In Bezug auf die praktischen Dinge hat sich das Buch sehr gut verkauft und unsere materielle Position hat sich dadurch verändert. Ich mache mir jetzt nicht mehr so viele Sorgen um die Zahlung der Miete und ich gerate nicht in Panik, wenn die Stromrechnung ins Haus kommt. Wir sind auch aus Polruan weggezogen, wo wir am Ende des Salzpfades gelebt haben. Ein Leser und Fan meines Buches kontaktierte uns und bot uns seine Farm in Cornwall an. Jetzt leben wir anders als vorher. Andererseits hat sich absolut nichts geändert. Moth und ich sind immer noch dieselben. Wir denken immer noch die gleichen Gedanken und tun die gleichen Dinge. Ich bin vor Kurzem mit einem Rucksack auf dem Rücken von einer viermonatigen Wanderung durch das Land zurückgekehrt, habe die meisten Nächte im Zelt geschlafen und habe mich gefragt – hat sich etwas verändert? Absolut gar nichts!

 

Seit das Buch veröffentlicht wurde, habe ich viele Menschen getroffen. Besonders bei den Lesungen traf ich Hunderte von Menschen, die mir ihre Geschichten erzählt und ihre Probleme mitgeteilt haben. Und ich habe erkannt, dass wir alle gleich sind und es Momente im Leben gibt, in denen alles auseinanderzubrechen scheint, sei es finanziell, emotional oder gesundheitlich. Was auch immer die Ursache ist, wir haben Glück, wenn wir durchs Leben gehen können ohne diese Momente zu erleben. Und wenn es passiert, teilen wir alle die gleichen Emotionen, die gleichen Ängste und Hoffnungen. Ich habe meine Geschichte vielleicht ein bisschen offener erzählt, als ich es hätte tun sollen [lacht], aber ich denke es hat eine Tür für die Menschen geöffnet, ihre Geschichten mit mir zu teilen. Es beruhte wirklich auf Gegenseitigkeit, diese Bücher zu veröffentlichen. Ich habe ihnen meine Geschichte gegeben und sie haben auch so viel von sich zurückgegeben. Es war eine gemeinsame Erfahrung mit vielen Lesern. 

Glaubst du, dass deine Kindheit auf einer Farm es dir leichter gemacht hat, dich mit der Natur zu verbinden und siehst du sie als einen Ort, an dem du ein Gefühl der Zugehörigkeit erlebst?

Ich denke schon, weil ich als Kind viel Zeit alleine im Wald und auf den Feldern verbracht habe. Es war ein Teil von mir. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, sondern bin einfach rausgegangen und habe die Natur erkundet. Es ist ein Gefühl, das mich mein ganzes Leben lang begleitet. Moth und ich, wir hatten unsere Farm in Wales, sie lag ziemlich abgelegen auf dem Land und war ein ganz besonderer Ort. Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich, dass diese Welt Teil meiner DNA ist. [lacht] Als ich klein war, bin ich oft in den Wald gegangen. Die Wildhüter haben dort Fallen für die Füchse aufgestellt. Es war also ziemlich gefährlich dort - nehme ich an. Meine Eltern wollten nicht, dass ich in den Wald gehe, aber ich bin trotzdem gegangen. Früher habe ich Stunden damit verbracht, die Tierwelt zu beobachten – die Vögel, die Fasane, die Kaninchen oder einfach nur dem Wind in den Bäumen zu lauschen. Es gab immer etwas, das ich entdecken wollte. Auf unserer Farm gab es viele Kaninchen und ich versperrte die Kaninchenlöcher, damit sie nicht hineinkriechen konnten. Diese Art von Unsinn habe ich in meiner Kindheit gemacht. Während meine Freunde im Park spielten, habe ich Kaninchen im Wald gefangen. Das war ein Teil von mir. Ich war neugierig, wie alles miteinander interagierte und wie ich mit der Natur interagieren konnte.  

© Raynor Winn

Und du hattest die Zeit und den Ort dafür.

Ja, ich hatte das Glück auf einem Bauernhof zu leben und die Freiheit, mich in einem großen Gebiet umhertreiben zu können.

 

Wo fühlst du dich sicher?

In der Natur fühle ich mich am sichersten. Sich selbst, Geborgenheit und Zugehörigkeit zu spüren – das ist der Ursprung.

Wenn du ein Tier sein könntest, was für ein Tier wärst du und warum?

[lacht] Ich wäre eine Krähe, weil Krähen etwas wirklich Unabhängiges und Belastbares an sich haben. Sie sind sehr auffällig und im nächsten Moment verschwinden sie wieder. Und sie wirken so positiv. Ja, ich wäre eine Krähe. 

Gab es Momente auf deiner Reise, in denen du gespürt hast, dass du dich auf die Natur verlassen kannst?

Ich denke schon. Auf jeder Reise ist es bis jetzt so gewesen. Wir fühlten uns in jeder Hinsicht verloren, als wir den South West Coast Path gewandert sind. Es gab etwas Besonderes auf diesem schmalen Pfad in der Wildnis, zwischen dem gewöhnlichen Leben auf der einen Seite und dem Meer auf der anderen, das uns zusammenhielt und uns motivierte weiterzugehen. Wir erkannten, dass der Weg unsere Bestimmung war und er uns einen tieferen Sinn gab. Auf einer unserer letzten Wanderungen in Island, über die ich auch in dem Buch Die Wilde Stille schreibe, war es anders. Ein wilder, abgelegener, fremder Ort. Man konnte die Verbindung zur Natur spüren und dieses Gefühl hat das Fremde in gewisser Weise verschwinden lassen. Es geht darum, zu spüren, was dir Sicherheit gibt. Und es gibt immer etwas in der Natur, das dich beschützt. Wir haben die Natur in so vielen verschiedenen Formen erlebt. Es gab Momente, in denen wir isoliert und dem Wetter ausgesetzt waren, aber dann fanden wir einen Überhang unter einem Felsen oder einen Schafstall, wo wir uns unterstellen konnten. Wir haben Wildtiere beobachtet, wie einen Steinadler, der eine Spalte in einem Felsen fand, um sich vor dem sintflutartigen Regen zu schützen. Oder Rehe, die Rücken an Rücken, dicht im Regen standen. Und in gewisser Hinsicht fühlten wir uns wie sie. Weil es Momente gab, in denen wir das Gleiche getan haben. Auch wir haben uns Rücken an Rücken zusammengedrängt, weil der Regen zu stark war. Manchmal ist das der einzige Weg, damit umzugehen. In vielerlei Hinsicht unterscheiden wir uns nicht von den Tieren.

Wiese an der englischen Küste, im Hintergrund Felsen
© Raynor Winn

Wie klingt die Stimme der Natur für dich?

Es war schwierig, darüber in Die Wilde Stille zu schreiben und ich weiß wirklich nicht, ob es mir gelungen ist. Ich wollte das Gefühl so beschreiben, als wäre eine Person im Raum, die man nicht sehen kann. Dieses Gefühl, dass etwas die ganze Zeit im Hintergrund ist, aber man es nicht unbedingt wahrnimmt. Als ob ein Vogelschwarm vorbeifliegt, der unsichtbar ist. Dieses Gefühl von – alles ist in Ordnung, weil es diese schützende Hand auf deinem Rücken gibt. Das wollte ich ausdrücken. Es ist ein grundlegendes Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Etwas Bewegendes in einem großen Bild. 

Frau mit Rucksack steht auf einem Hügel an der Küste und blickt auf das Meer
© Raynor Winn

Auf dem South West Coast Path habt ihr Menschen getroffen, die wie ihr obdachlos waren. Wie muss die Gesellschaft sich verändern, um Obdachlosigkeit anders wahrzunehmen?

Das war eine sehr schwierige Zeit. Wir hatten noch nie zuvor Obdachlosigkeit erlebt und haben überhaupt nicht erwartet, auf so viele Vorurteile zu stoßen. Sobald wir obdachlos wurden, war es sehr schwer, unseren Platz in der Gesellschaft zu finden. Die Art und Weise, wie die Leute uns anschauten, änderte sich fast über Nacht. Es ging sogar so weit, dass die Menschen sich von uns distanzierten, als wir ihnen erzählten, dass wir obdachlos sind und nichts mehr mit uns zu tun haben wollten. Das war sehr schockierend für uns. Plötzlich wurdest du zu einer Statistik, einem Thema, einem Problem degradiert. Ich denke der erste Schritt zur Lösung des Problems besteht darin, Obdachlose nicht mehr als Statistik zu betrachten. Alle Menschen sind durch ihre eigene Lebensgeschichte aus unterschiedlichen Gründen in der Obdachlosigkeit gelandet. Viele Menschen haben Angst vor Obdachlosen, weil sie denken, dass sie nur aufgrund psychischer Probleme obdachlos sind, aber das ist nicht der Fall. Sie denken, dass es nur die sind, die sie auf den Straßen oder vor den Ladeneingängen sehen. Aber es gibt Tausende von Menschen dahinter, die genauso obdachlos, aber nicht sichtbar sind. Jede einzelne Person, die obdachlos ist, muss als Individuum behandelt werden, weil sie ihre eigene Geschichte hat. Und der beste Weg, diese Krise zu lösen, und es ist ganz sicher eine Krise in diesem Land, wäre ehrlich zu sein, was die Zahlen angeht. Wir veröffentlichen nicht die echten Zahlen. Die Zahlen werden in einer Momentaufnahme aufgenommen, die nicht die tatsächliche Anzahl der Obdachlosen erfasst. Wenn sie nicht sichtbar sind, werden sie nicht gezählt. Das eine ist die Obdachlosigkeit auf der Straße, aber die andere Obdachlosigkeit, die dahinter liegt, wird in den Zahlen von Stadträten und Regierungsabteilungen verfälscht. Es ist ein viel größeres Problem, als es die Statistiken heute zeigen. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Problem sofort anzugehen. Erstens, sie als Menschen und nicht als ein „Ladeneingang-Problem“ zu betrachten und zweitens die korrekten Zahlen zu veröffentlichen. Dann würden die Menschen sehen, dass es sich nicht um ein Problem von Minderheiten handelt.

Wie kam dein Hund Monty in dein Leben?

So wie ich in Der Salzpfad über Hunde und Hundebesitzer schreibe, würde man nicht denken, dass ich jemals einen Hund besitzen würde, oder? [Wir lachen]. Mein Mann und ich waren aus irgendeinem Grund auf einer Farm und der Besitzer hatte diesen kleinen winzigen Welpen in einem Käfig im hinteren Teil seines Schuppens. Er hatte alle anderen aus dem Wurf verkauft, sie waren doppelt so groß wie er, aber niemand wollte ihn, weil er krumme Beine hatte, lustige kleine gebogene Beine. Seine Hinterbeine sind perfekt, aber seine Vorderbeine sehen aus wie kleine Cabriole-Tischbeine. [Wir lachen]. Und der Besitzer sagte – wenn er bis Freitag nicht weg ist, kommt er in einen Eimer und wird ertränkt. Und wir sagten – nein, das kannst du nicht machen! Also gingen wir mit einem Welpen nach Hause. Wir hatten nie in Betracht gezogen, mit einem Hund oder einem Welpen in der kleinen Wohnung in Polruan mit nur einem Schlafzimmer und ohne Garten zu leben und wir haben uns gefragt – was haben wir nur getan? Er hat sich aber zu einer überraschend süßen Ergänzung unserer Familie entwickelt. Er ist sehr klein und mit seinen wackeligen Beinen konnte er dieses Jahr nicht auf diese große Wanderung mit uns kommen, weil es viel zu weit für ihn gewesen wäre. Er ist ein sehr glücklicher kleiner Hund, der mit seinen Tennisbällen unendlich lange Fußball spielt. 

Hund liegt im Gras unter Bäumen
Hund Monty © Raynor Winn

Ihr lebt jetzt auf einer Farm in Cornwall, was habt ihr dort verändert?

Die Farm war sehr vernachlässigt und landwirtschaftlich überbeansprucht, mit einer sehr alten Apfelwein-Plantage und einer unglaublichen, mehr als hundert Jahre alten Geschichte der Apfelweinherstellung. Der Besitzer hatte den Traum, die Farm in eine Oase für Tiere zu verwandeln und die Biodiversität wiederherzustellen. Er hatte mein Buch Der Salzpfad gelesen und dachte wir wären genau die Richtigen, die ihm helfen könnten. Es geht nicht darum, was wir hier getan haben, es geht eher darum, was wir nicht getan haben. Wir haben den Einsatz von Chemikalien auf den Feldern gestoppt, die Lagerung von Vorrat drastisch reduziert und die gesamte landwirtschaftliche Verschmutzung beseitigt. Dadurch hat sich vieles gewandelt. Der Tierreichtum ist wieder zurückgekehrt, es gibt hier Vögel, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Das Insektenleben ist zahlreich zurückgekehrt und auch Bestäuber, die es hier vorher definitiv nicht gegeben hat. Die Farm hat in jeder Hinsicht davon profitiert. Gestern Abend, als wir aus dem Fenster schauten, saßen plötzlich Hunderte winzig kleine Vögel auf den Stromkabeln. Wir hatten sie noch nie zuvor gesehen. Ich habe das Fernglas geholt und sie zwitscherten, flatterten hoch und landeten wieder, als wären sie gerade von irgendwoher gekommen. Es waren Redpolls, kleine Vögel von der Größe eines Rotkehlchens, mit roten Flecken auf der Brust. Sie sind offenbar aus Nordeuropa eingewandert und fressen hauptsächlich Beeren. Wir haben die Hecken nicht geschnitten, sodass sie dieses Jahr voller Beeren sind und anscheinend zieht das diesen Schwarm von Zugvögeln an. Es war wunderschön zu beobachten, wie sie miteinander spielten.

Wie würdest du Heimat definieren?

Als wir unser Haus in Wales verloren haben, glaubte ich, dieses Gefühl von Heimat nie wieder spüren zu können. Wir dachten Heimat würde in den Mauern des Hauses stecken, das wir aufgebaut haben, und wo die Kinder aufgewachsen sind. Aber als ich auf dem South West Coast Path wanderte, wurde mir klar, dass Heimat nicht die Mauern sind. Es ist etwas, das du in dir trägst. Für mich bedeutet Heimat in der Natur zu sein und Sicherheit, die sie vermittelt. Heimat ist aber auch meine Familie, egal ob sie mich auf einer Wanderung begleitet oder über das Land verstreut ist. Nach der langen Wanderung in diesem Jahr, als wir abschließend die letzten drei Tage noch einmal auf dem South West Coast Path wanderten, fühlte es sich auf diesem nur einen Fuß breiten Weg mehr nach Heimat an, als in unserem Haus, in das wir zurückkehrten. Das war wunderbar.

Was hast du für Zukunftspläne?

Hier auf der Farm hoffen wir, die Artenvielfalt weiter auszubauen. Das ist der Plan. Und ich werde noch ein Buch schreiben, mit dem ich heute angefangen habe [lacht] und das im September nächsten Jahres herauskommen wird. Es wird um die Wanderung gehen, die wir gerade beendet haben und die vielen Dinge, die wir auf dem Weg entdeckt haben.