Gibt es einen Ort, an dem man vergessen kann, wer man wirklich ist?
Ein Gespräch mit Leonarda Castello - Autorin, Literaturwissenschaftlerin und künstlerische u. wissenschaftliche Leiterin der Märchenwelten-Ausstellung in der HafenCity in Hamburg. Zur Zeit wegen Covid-19 geschlossen.
© Frank Mehlin
Liebe Leonarda - du bist künstlerische und wissenschaftliche Leiterin bei der Ausstellung Märchenwelten - wie bist du zu der Aufgabe gekommen?
Es gab einen Artikel von mir über Märchen im Abendblatt. Das ist jetzt fast neun Jahre her. Ich hatte den Artikel damals für eine Kultur Kolumne geschrieben - was sind Märchen, wer ist Frau Holle, was hat das für die Grimms bedeutet? Den Artikel hat der damalige Initiator des ganzen Märchenwelten Projekts, Frank Mehlin, gelesen und mich dann angerufen. Ich war zu der Zeit für drei Monate in Brasilien und als ich zurückkam, habe ich ihn getroffen und er hat mir seine Idee vorgestellt. Es sollte etwas mit Märchen und mit Werten zu tun haben - das war's dann eigentlich auch schon von seiner Idee. Er hatte eher so ein paar rudimentäre Zeichnungen wie die Ausstellung aussehen soll, im Prinzip so wie ein modernerer Märchenwald mit verschiedenen Stationen, einem Baum, einem Brunnen, man kann sich entscheiden ob man den rechten oder den linken Weg gehen will …meiner Meinung nach total langweilig. Ich habe gesagt, da arbeite ich nicht mit, das interessiert mich überhaupt nicht. Er fragte dann – was würden Sie denn machen? Ich sagte - ich würde die Leute in ein Märchen schicken, ich würde in diesen Räumen ein Märchen inszenieren. Dann sagte er – dann machen wir das. Das war’s. (lacht)
Was waren deine ersten Schritte, als du vor 9 Jahren mit deiner Arbeit angefangen hast?
Ich habe erst mal ein Konzept geschrieben. Aber ganz wichtig war: Wir haben keine Objekte die wir ausstellen, sondern wir arbeiten mit Introjekten - also mit den Fantasien in uns allen, die irgendwas mit Märchen zu tun haben. Wir müssen unsere Besucher da abholen: Bei ihren Fantasien.
Wie arbeitet ihr mit den Fantasien, in welcher Form?
Durch die Inszenierung des Raums. Indem wir euch als Besucher in bewegte Bilder entlassen. Also im Prinzip ist jeder Raum, den du in dieser Ausstellung betrittst, eine Geschichte, die sich mit dir verändert.
Gab es Vorgaben für die Märchen oder hast du dir überlegt, welche infrage kommen könnten?
Nein, es gab keine Vorgaben. Der Weg war ein anderer. Ich hatte ein kleines "WIE-Blatt" auf dem standen 3 x 3 Punkte, die ein „WIE“ ergaben. Drei W, drei I und drei E. Es ging darum wie wir arbeiten, womit wir arbeiten und was das Ziel unserer Arbeit ist. Bei den W's ging es um Wunder, Wissen, Werte. Die I's waren Introjektion, Information und Initiation und bei den E’s ging es um Erleben, Erfahren und Erkennen. Es ging immer ganz stark um Initiationen. Das heißt, du gehst als Besucher wie der Märchenheld in eine Geschichte hinein, die du nicht kennst – das ist ganz wichtig. Wenn du nämlich eine Geschichte schon kennst, gibt es keine Initiation. Und die Märchenhelden kennen die Geschichte ja nicht wenn sie hineingehen. Diese Kernideen des Drehbuchs habe ich letztes Jahr um diese Zeit entwickelt. Von solchen WIE-Blättern habe ich unendlich viele erarbeitet. Welche Werte benutzen wir? Wie sehen die einzelnen Räume aus? Usw.
Was hat dich für dieses Projekt, unabhängig von den Märchen inspiriert?
Meine über zwanzigjährige Arbeit mit Gruppen und Märchen. Ganz klar. Immer wieder die Faszination der Frauen und Männer in den Gruppen und bei meinen Vorträgen. Immer wieder das Unantastbare der Märchen. Ich habe festgestellt, dass man manchmal die Wahrheit oder den Kern der Wahrheit erfährt, indem man ganz nah herangeht oder indem man etwas Abstand nimmt und beobachtet. Ich habe bei Märchen beides gemacht. Im letzten Jahr bin ich unendlich nah an die Märchen rangekommen. Ich bin jetzt inzwischen durch diese Arbeit tatsächlich eine Art Grimm- und Märchen-Expertin geworden. Doch ich weiß weder, wer sich Märchen ursprünglich ausgedacht hat und ich weiß immer noch nicht, wie sie eigentlich funktionieren, das ist mir ein Geheimnis geblieben. Und ich bin immer wieder ergriffen davon. Dieses Geheimnisvolle war immer meine Inspiration. Und ich wollte vielen Menschen dieses Geheimnisvolle durch ihr eigenes Erleben zugänglich machen. Wenn du Menschen über das Geheimnisvolle berührst, öffnest du sie. Mein Wunsch war immer die Wahrnehmung der Menschen zu ändern. Ein bisschen eine Tür oder ein Fenster zu öffnen, die bis jetzt noch nicht geöffnet waren.
Der Besucher soll zum interaktiven Held seines eigenen Märchens werden. Wie kann ich das verstehen?
Ja, das frag ich mich auch. Eine komische Formulierung. Ein Held ist sowieso per se interaktiv, sonst ist er gar kein Held. Wenn sie jetzt geschrieben hätten ein passiver Held …
Interaktiv, vielleicht weil sich der Besucher mit den Erlebnissen in den Räumen auseinandersetzt?
Ja. Ich glaube was sie damit gemeint haben ist, dass du, indem du in die Geschichte gehst, sie veränderst. Das meinen die mit interaktiv. Die meinen gar nicht einen interaktiven Helden, die meinen eine interaktive Geschichte.
Du gehst also in einen Raum und veränderst die Geschichte?
Ja, aber ich kann dir nicht sagen welche Geschichte, weil ich dir dann ein Geheimnis verrate. Es geht auch nicht um ein bestimmtes Märchen, sondern um ein Märchen, dass ich neu geschrieben habe.
Es ist also eine Überraschung?
Genau. Es muss eine Überraschung sein, sonst funktioniert es nicht mit der Initiation. Eine Initiation hat immer damit etwas zu tun, dass du etwas erlebst, was du noch nie erlebt hast.
Bezieht sich das Märchen, das du dir ausgedacht hast, nur auf einen Raum oder auf die ganze Ausstellung?
Auf die ganze Ausstellung. Anders als ein geschriebenes Märchen, gehst du wirklich in ein Märchen hinein. Durch Stationen in Räumen. Du verlässt deine normale Welt, gehst in eine fremde Welt oder in die Fremde und musst Abenteuer bestehen, jemanden retten, anderen helfen, Aufgaben lösen. Du begibst dich auch selber in Gefahr und kommst dann aber langsam wieder raus und wirst zum Schluss auch irgendwie belohnt. In der Ausstellung erlebst du das in 1 ½ Stunden. Du bist der Held oder die Heldin.
Handelt die Ausstellung auch von den Märchen der Brüder Grimm?
Ja, auch. Die Motive habe ich mir aus den Grimms Märchen geholt. Indem du dieses Märchen erlebst, verstehst du auch noch mehr über Märchen. Du erlebst es, du liest es nicht oder du siehst es nicht, sondern du bist es. Und im letzten Raum, unserem großen Wissensraum, der Wunderkammer, der auch ein großer Schatzraum ist, wirst du erste Märchenausgaben finden.
Ist das Angebot gleich für alle Altersgruppen?
Wir arbeiten mit Screen- und Audioshots und Audioscreens. Als Besucher bekommst du bestimmte Informationen, nach Alter und Sprache differenziert - so ist zumindest die Planung. Der Besucher, der einen halben Meter weg von dir steht, hört etwas anderes als du. Das erreichen wir durch Audioshots. Das ist fantastisch. Wir können die Besucher akustisch individuell anpeilen. Du bist da mit vielen anderen Besuchern, aber du bist eben auch ganz allein.
Hast du ein Symbol oder eine Figur aus einem Märchen, das/die für dich eine besondere Bedeutung hat?
Eine Figur die ganz wichtig für mich ist und die ich ganz besonders liebe und schätze, das ist tatsächlich Frau Holle. Als ich noch jünger war, da hab ich mir immer gewünscht, ich käme mal zu jemanden wie Frau Holle. Und sie würde mit mir so einen fantastischen Vertrag machen und würde meine Stärken schätzen und mich genau dafür belohnen und mich gehen lassen wenn ich wieder gehen will. Das fand ich ganz toll. Außerdem liebe ich aufgeräumte Häuser und das von Frau Holle war ja offensichtlich total aufgeräumt. Und ich liebe den Winter. Inzwischen bin ich ja nun älter und ich bin selber zu einer Art Frau Holle geworden. Inzwischen kommen Menschen zu mir und ich helfe ihnen ihre Stärken wertzuschätzen und ich lasse sie gehen wenn sie wieder gehen wollen.
Hast du ein Lieblings Märchen?
Frau Holle. Obwohl ich inzwischen Jorinde und Joringel auch sehr gut finde. Sehr geheimnisvoll. Die Erzzauberin, die die Jungfrauen immer in Nachtigallen verwandelt. Ich habe mit dieser Idee der Verwandlung auch bei dem Drehbuch gespielt.
Hast du ein persönliches Highlight der Ausstellung?
Ich vermute ich habe eins, und ich bin sehr gespannt ob es das auch sein wird für die Besucher. Als ich die ersten Animationen der Ausstellungsräume von Charlotte Tamschick und Mathis Völker von der Agentur Tamschick (Tamschick Media und Space aus Berlin - spezialisiert auf die Konzeption, Gestaltung und Implementierung räumlicher Medienproduktionen) auf dem Computer gesehen habe, war ich tief berührt. Von der Musik, den Farben und von der Art wie sie das umgesetzt haben. Ich war total begeistert. Obwohl ich es mit entworfen habe, das muss man sich mal vorstellen. Aber das ist ja nicht mein Medium. Mein Medium ist Sprache und Fantasie. Das Wort. Als ich Charlotte Tamschick das erste Mal in Berlin traf, fragte sie mich – Frau Castello, was wollen sie von dieser Ausstellung, was ist ihr Ziel? Ich sagte - ich möchte dass die Wahrnehmung der Besucher sich verändert. Es ist mir ziemlich egal in welche Richtung, Hauptsache es ist nicht destruktiv. Ich wünsche mir so eine Reaktion wie: Mensch so etwas habe ich noch nie gesehen, das macht ja was mit mir. Es eröffnet etwas für mich.
Wie siehst du die Rolle der Frau im Märchen?
Ziemlich übel. Die meisten Mütter die vorkommen sind Stiefmütter, die nicht nur sadistisch sind, sondern geradezu mörderisch. Es gibt auch gute Mütter, wie die von Schneeweißchen und Rosenrot. Frau Holle ist ja auch im Prinzip eine Mutterfigur. Aber guck dir mal die Stiefmutter von Schneewittchen an, das ist ja zum Gotterbarmen, wie durchgeknallt und mörderisch die ist. Königinnen kommen fast nicht vor, immer nur im Schlepptau, außer die Königin aus Schneewittchen, darüber habe ich gerade auch geforscht, das ist die einzige Hauptrolle überhaupt einer Königin und dann ist sie auch noch so böse.
Und die Heldinnen?
Ja, Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel und Allerleirauh sind alles junge Mädchen, die leiden und hart arbeiten müssen. Die ausgeschlossen und unterdrückt werden und oft Stiefkinder sind, so wie Aschenputtel. Was mich bei den Märchen von Anfang an fasziniert hat, waren nie die unrealistischen Wunder. Sondern es waren die realen Hintergründe der Geschichten: So eine arme Halbwaise wie Aschenputtel wurde brutal und grausam gequält und gedemütigt von ihrer neuen Stiefmutter und ihren beiden Halbschwestern - das war das alltägliche Schicksal von Halbwaisen und Waisen. Dass Aschenputtel es schafft, trotz allem, sich ihr eigenes Leben und den Mann ihres Lebens zu holen, das ist die schöne Botschaft der Märchen.
Aber aktiv ist wiederum der Prinz, der sie sieht.
Aber sie ist auch sehr aktiv. Sie geht zum Ball, sie holt sich die Kleider gegen den Befehl der Stiefmutter, sie haut immer wieder ab vor ihm. Ich habe lange überlegt, warum sie eigentlich abhaut, warum er sie suchen soll.
Wie kamen die Geschichten zu den Grimms Märchen?
Wie die Märchen zu den Grimms gekommen sind, hatte ganz verschiedene Ebenen. Unter anderem von hugenottischen Familien mit einem französischen Einschlag. Doch die ersten Märchenbücher kommen tatsächlich aus dem Italienischen. Aber das älteste Märchen das wir kennen, kommt aus China und zwar ist das die Aschenputtel Geschichte. Bernhard Lauer, der Leiter der Brüder Grimm-Gesellschaft in Kassel hatte mir davon erzählt, weil er gerade in China gewesen war. Er sagte, Aschenputtel gab es schon im 8. oder 9. Jahrhundert in China. Also eine ähnliche Geschichte mit Tieren, die einem Waisenkind helfen, dann die Geschichte mit den Füßen und dem Schuh. Der Weg der Märchen ist spannend, nicht nur in der Ausstellung.
Was erhoffst du dir von der Märchenwelten-Ausstellung?
Den kulturellen Blick darauf zu lenken, dass Märchen nicht Geschichten für Kinder sind, sondern über das Kind. Und zwar über das starke Kind. Und was Kinder eigentlich brauchen, damit sie sich gut entwickeln können. Davon sprechen Märchen. Und zwar in einer Welt, die gar nicht toll ist zu Kindern, sondern grausam wie bei Hänsel und Gretel.
Man könnte sagen, du bist das kreative Herz der Ausstellung - wie kam es dazu?
Ich war ja nie als Künstlerin in dieser Gruppe/Ausstellung montiert, sondern von Anfang an als wissenschaftliche Leiterin. Es hieß: Die macht den Katalog, die weiß viel über Märchen und über die Grimms, die können wir immer fragen. Aber letztes Jahr Ostern 2018, als wir wussten, dass wir Geld kriegen, dass es wirklich real wird, fiel uns auf – wir haben ja gar keine Geschichte! Was erleben denn nun die Besucher? Es gibt den Aufbruch ins Unbekannte. Es gibt Helfer, Aufgaben müssen gelöst werden - alles richtig. Das ist sozusagen die Struktur. Und daran haben wir uns dann orientiert. Wenn man von einem Herz der Ausstellung spricht, wissenschaftlicher Art oder auch kreativer Art, ist das für mich bei dieser Ausstellung nicht zu trennen. Und wenn ich so sagen darf: Diese Ausstellung hat viele Herzen.
Wie wurde das Thema dann konkret umgesetzt?
Als Charlotte Tamschick irgendwann sagte, wir brauchen ein Drehbuch, da haben Frau Ngo, unsere versierte Geschäftsführerin, und ich uns zusammengesetzt, obwohl es nicht unser Job war und zunächst eine Drehbuch-Struktur entwickelt. So ist das bei uns im Team oft, jede und jeder übernimmt auch fremde Aufgaben. Es ging uns darum - wie können wir ein Märchen umsetzen in unseren 12 Räumen? Das war aber noch keine fertige Geschichte, sondern eben nur die Struktur einer Geschichte bzw. eines Drehbuchs. Und dann habe ich mich noch einmal hingesetzt und habe angefangen, Ideen für die Inhalte zu entwickeln. In welche Welt kommen die Leute, welche Aufgaben haben sie zu lösen? Wie findet die Verzauberung unserer Besucher statt? Die schwierigste und wichtigste erste Aufgabe war: Wie kriegen wir die Besucher dazu, in die Ausstellung zu gehen und zu vergessen, wer sie sind und wo sie sind? Ich hatte eine Idee, war aber sehr unsicher damit. Aber es war die einzige Idee die ich hatte. Und dann sagte unser Szenograf hier in Hamburg, Herr John, nachdem ich ihm das Konzept gezeigt hatte – genial! Das können wir doch so und so machen. Ich habe den Ball geworfen und er hat ihn aufgenommen. Das ist oft mein Job: Ich werfe den ersten Ball und das Team macht dann daraus ein kreatives Ballspiel mit vielen Spielern. Wir brauchten aber noch einen Widersacher. Denn jedes Drehbuch steht und fällt nicht in erster Linie mit dem Helden oder der Heldin, sondern mit der Qualität des Bösen. Schneewittchen ist wahrscheinlich deshalb eines dieser ganz berühmten Märchen. Hollywood verfilmt ja eine Version nach der anderen, weil es da diese bestialische, böse Stiefmutter gibt. Meine erste große Aufgabe war also – was brauchen wir als Zündung? Was für eine Energie muss da rein, damit die Leute überrascht werden und hin und weg sind. Als seien sie in einer anderen Welt - eben verzaubert. Und meine zweite große Aufgabe war: Wer ist der Widersacher, die Widersacherin - das Böse? Das besondere an meiner Position in dieser Ausstellung ist, dass ich nicht gerufen worden bin, nachdem die Ausstellung stand, so wie man das normalerweise bei Fachleuten macht, sondern ich war als Wissenschaftlerin von Anfang an involviert und habe Impulse gegeben - in welche Richtung es gehen müsste, welche Motive aus welchen Märchen man nehmen könnte. Bei mir hat sich immer mein Wissen über Märchen kurzgeschlossen mit der Ideenentwicklung. Die Grenze zwischen Wissenschaftlerin und Künstlerin hat sich aufgelöst. Und das ist das Wunderbare an diesem Job für mich. Eine unendliche Bereicherung, die mir zeigte, zu was ich fähig bin. Und auch wie andere dann auf die Idee reagieren. Es ist fantastisch mit so exzellenten jungen Männern wie Tim John und seinem Kollegen Martin Schmitz zusammenzuarbeiten. All die genialen Leute bei Tamschick erwähne ich jetzt leider nur als Rundumschlag, denn es sind viele Namen. Und dann natürlich noch das innere Team hier in Hamburg, unsere Leute im Büro - die gehören ganz eng dazu. Auch sie waren an der Ideenentwicklung immer wieder beteiligt. Es ist schön zu erleben, das die Impulse die man gibt, auch ankommen und weiterwirken dürfen.
Was macht Tim John genau in der Ausstellung?
Die Scherenschnitte und natürlich prinzipiell die szenografische Umsetzung von Ideen in Rauminstallationen jedweder Art: z.B. einen Wald im Raum gestalten. Wir verbinden modernste Technik mit ganz traditionellen Mitteln. Mit schönen Stoffen, Spiegeln, Scheren -schnitten. Die Sache mit dem Widersacher wurde auch sofort von ihm in eine super gruselige, räumliche Inszenierung umgesetzt.
Was ist die Wunderkammer?
Das ist die Schatzkammer im letzten Raum der Ausstellung. Dort gibt es Touchscreens und es können Fragen über die einzelnen Figuren aus den Märchen gestellt werden, also ein tieferes Wissen über bestimmte Begriffe eingeholt werden. Dort gibt es auch das erste Wörterbuch der Grimms. So wird man kulturell und spielerisch im Vorbeigehen informiert. Und dann gibt es noch meinen Katalog zu kaufen, der aus Einzel-Heften mit künstlerischen Bildern besteht. Darin geht es um Märchen, die Grimms oder um die Liebe, den Mut und das Kind oder den Wald im Märchen. Ich habe lange daran gesessen, diesen Wust an Informationen und Wissen über die Grimms und die Märchen in kurze prägnante Textblöcke zu bringen, die man wie ein Feuilleton lesen kann. Das war meine wirkliche Kunst als Autorin. Und Herr Kammermeier (Chef und Vorstandsvorsitzender der Märchenwelten) war mein "Polisher" - so nannte er das immer. Wir sind die Texte zusammen durchgegangen und dadurch sind sie noch brillanter geworden. Wir waren ein wirklich gutes Team und die Arbeit hat viel Spaß gemacht.
Ist die Ausstellung fest an einem Ort etabliert?
Erst mal wird sie für ca. vier Jahre am Baakenhöft in der Hafencity sein, und dann ziehen wir direkt gegenüber von der Elphi in ein festes Gebäude, das zur Zeit gebaut wird. Dort werden wir dann zwei größere Stockwerke mieten. Das was jetzt für die Ausstellung aufgestellt wurde, ist eine faltbare Halle, die relativ schnell auf- und abgebaut werden kann. Und unser Traum wäre, dass die Ausstellung so erfolgreich wird, dass wir sie an andere Städte verkaufen können. Oder damit "wandern", auch ins Ausland. Wir haben den Zuschlag für den Baakenhöft bekommen, weil die so begeistert waren von dem Projekt, da es für Jung und Alt ist.
Warum haben Märchen etwas mit der Gegenwart, mit dem Alltag zu tun?
Weil sie uns immer noch faszinieren, weil sie immer noch eine tiefe, wichtige Art von Wissen oder Erfahrung wiederbeleben, wenn man sie liest. Wir sind meiner Meinung nach in erster Linie mythologische Wesen und nicht vernünftig - das wollen wir bloß gern. Doch wir reagieren vielmehr über Gefühle, über Erinnerungen, wir haben Aufgaben im Leben, auch wenn wir das gar nicht so gern wollen. Vielleicht sind wir alle uralt in unserer Seele. Vielleicht - keine von uns weiß das genau. Das ist ein Geheimnis. Und die Märchen nun wiederum stecken voller Geheimnisse dieser Art.
03/2019