Interview mit Elke Ehninger - Künstlerin und Illustratorin. 

Elke Ehninger © Heike Günther
Elke Ehninger © Heike Günther

 Durch einen Zufall bin ich auf die Collagen der Künstlerin und Illustratorin Elke Ehninger aufmerksam geworden. Da ich selbst ein großer Collage-Fan bin, wollte ich mehr wissen über die Person, die hinter den feinsinnigen und künstlerisch sehr anspruchsvollen Bildern steckt. Ich habe Elke Ehninger zum Interview in ihrem Atelier in Hamburg-Wilhelmsburg getroffen.

Liebe Elke, wie würdest du deine Kunst beschreiben?

Meine große Liebe ist die Collage – ich arbeite mit einer Mischung aus malerischen und zeichnerischen Elementen und die Würze sind sozusagen die Collageelemente.

 

© Elke Ehninger

Sehr wichtig bei meiner Arbeit ist für mich das Material. Ich verwende zum Beispiel auch Nähte und Stoffe, die ich in aufwendigen Schichten klebe. Ich sehe in meinen Arbeiten viel Verspieltes, ohne dass sie oberflächlich sind. Sie haben Substanz und sind sehr fein und detailliert. Es sieht nach Leichtigkeit aus, aber es gibt auch noch eine Ebene dahinter. 

© Elke Ehninger
© Elke Ehninger

Diese roten Fadenlinien sind auf das Bild genäht?

Ja, mit der Nähmaschine.

Wie funktioniert es technisch, dass die Zusammensetzung so fein aussieht?

Das sind viele Schritte. Zum einen benutze ich sehr dünnes chinesisches Papier. Getuscht und eingelassen mit einer Flüssigkeit, damit es nicht ausblutet. Das Papier kaschiere ich dann auf Leinen und presse es, so sind diese beiden Materialien wie ein Werkstück miteinander verbunden. Auf den Fotos kann man noch die Abdrücke eines Nährädchens und das dünne Papier am Rand erkennen. Ich habe eine Liebe für diese Materialien und schon sehr viel herumexperimentiert.

Welche Materialien verwendest du noch?

Acrylfarben, alte Bücher und Zeitschriften von Flohmärkten. Wie schon erwähnt auch Stoffe, Nähte und Drucke. Abklatschtechniken mache ich auch gerne und experimentiere damit. (Farbe und Material wird auf einen Untergrund z.B Glasplatte als Druckträger aufgetragen und einmalig auf Papier abgedruckt) 

 

Das ist ganz schön vielseitig!

Total, und das kommt alles in ein Bild hinein. Wenn mich etwas inspiriert, dann ist es das – das Entdecken von neuem Material oder einer Drucktechnik.

© Elke Ehninger
© Elke Ehninger

 

Was interessiert dich an deiner Arbeit?

Der Arbeitsprozess. Und in einen inneren Zustand zu kommen, wo ich ganz konzentriert an etwas arbeiten kann, ohne eine genaue Vorstellung zu haben, was es werden soll. Diesen Zustand suche ich eigentlich.

 

Woher weißt du, wann ein Bild fertig ist?

Ich weiß eigentlich genau, wann es fertig ist, aber wie soll ich das beschreiben …? Es sind ja immer Phasen, wo man konzentriert und innerlich losgelöst arbeitet. Es ist ein ständiger Prozess und die Bilder haben unzählige Stadien durchlaufen. Manchmal liegen die Bilder länger, dann ziehe ich sie heraus und überarbeite sie wieder. Sie haben dann schon ganz anders ausgesehen. Da ist bei mir nichts sicher, sage ich mal so [lacht].

Ich komme ja aus dem Druck. Während meines Studiums der visuellen Kommunikation, habe ich ganz viel gedruckt. Radierung war mein Steckenpferd. Ich habe gedruckt wie verrückt. Ich habe Stapel von diesem tollen Büttenpapier mit diesen Facetten, die benutze ich heute noch. 

Hast du eine bestimmte Methode, wie du ein Bild aufbaust?

Ich fange eher über die Farbe an. Oft ist es eine Kombination von Farben.

Was du hier siehst in diesen Schubladen, ist oft der Ausgangspunkt.

 

 

Die Farben sind also die Basis oder der Hintergrund für ein Bild?

Ja, dann kommt die Textur und die Kombination. Bei einer Auftragsarbeit muss ich oft eine Idee vorstellen, da die Kunden ja wissen müssen, was sie bekommen. Das ist die Schwierigkeit dabei, wenn man Collagen macht. Collage ist eigentlich frei und man reagiert auf das, was man findet.  Man kann sich aber nur bedingt frei fühlen, wenn es schon eine vorgegebene Idee gibt. Das ist schon eine besondere Herausforderung, eine Collage als Auftragsarbeit anzufertigen [lacht].

 

Du hast schon für viele Magazine Aufträge bearbeitet, wie Brigitte, Chrismon oder Psychologie Heute. Kannst du mir die einzelnen Schritte vom Auftrag eines Kunden, bis zur Fertigstellung beschreiben?

Ich werde meistens wegen meines Collage-Stils gebucht. Mittels Ideenskizzen stimme ich mit dem Kunden das oder die Motive ab. Ich zeige dir mal ein paar freie Skizzenblätter, die ich häufig nebenbei mache, wenn ich irgendwo zuhöre. 

Die benutze ich wie einen Fundus. Ich fertige meist mehrere Ideenskizzen an, die der Kunde dann zur Auswahl bekommt. 

Der Kunde bekommt immer erst eine Skizze?

Eigentlich immer. Die Abstimmung folgt über die Zeichnung. Wenn der Kunde zu mir sagt: Ja, das finde ich schön, kannst du das so umsetzen? Dann entwickle ich das Motiv und erkundige mich beispielsweise nach den farblichen Wünschen. Da die Arbeiten digital sind, kann man hinterher auch noch das ein oder andere korrigieren.

 

Nach der Abstimmung fange ich quasi wieder neu an, indem ich eine Collage erstelle. Sowohl ich als auch der Kunde muss sich dazu von der Form der Ideenskizze wieder lösen und offen sein für etwas Neues. Am meisten schätze ich den Freiraum, den Kunden mir geben – dann funktioniert meine Kreativität am besten. Generell finde ich, dass die Illustration es verdient hat, als künstlerisches, eigenständiges Statement anerkannt zu werden.

Welche Vorgabe gab es bei dem Auftrag der Stadt Hamburg für das Wortpicknick-Plakat für die Lesereihe in Planten un Blomen?

Da gab es keine konkrete Vorgabe. Es gibt Assoziationen – ich arbeite beispielsweise mit Schriftseiten aus alten Büchern – und ein Motto. In diesem Jahr war es „Beziehungsweise“, das Wort taucht auch auf dem Plakat auf. Ich arbeite für das Wortpicknick-Motiv mit einem Duo: zum einen mit der Organisatorin des Wortpicknicks und zum anderen mit einer Vertreterin der Stadt Hamburg, die für den Park Planten un Blomen zuständig ist. Im Laufe der Jahre, die ich jetzt mit den beiden zusammenarbeite, hat sich ein großes Vertrauen zu meiner Arbeitsweise entwickelt. Das ist natürlich nicht immer so, manchmal wollen Kunden viel genauer wissen, was sie bekommen. Ich habe Verständnis dafür, aber mir fällt es immer sehr viel leichter, wenn es Freiräume gibt. 

Warst du schon als Kind kreativ?

Ja, das war meine Art in der Welt zu sein und mich mit Malen und Zeichnen zurückzuziehen. Ich habe auch ganz früh gewusst, dass ich das gerne weiterentwickeln will. Ich habe mein Abitur deswegen geschafft, weil ich davon geträumt habe, Kunst zu studieren oder etwas Kreatives zu machen. 

Hat dich jemand in deiner Familie kreativ beeinflusst?

Meine Mutter hat auf jeden Fall eine Liebe für alle möglichen Materialien und sie hat mit uns Kindern viel gebastelt und ausprobiert.

 

In welcher Atmosphäre kannst du am besten arbeiten?

Allein. Ich muss für mich sein. Hier im Atelier geht das gut. Ich hatte anfangs auch Ateliergemeinschaften, weil man sich so viel Platz allein einfach nicht leisten kann. Das war schwierig für mich und du siehst ja, ich habe mir mein Universum hier geschaffen und gestalte meine Umgebung auch mit. Das brauche ich. Und auch eine gewisse Leere. Das künstlerische Chaos ist auch da, aber wie gesagt – ich breite mich aus, dann muss aber auch alles wieder verschwinden. 

Natur, Pflanzen und Blumen scheinen eine wichtige Rolle in deinen Bildern zu spielen, welchen Bezug hast du zur Natur?

Das finde ich sehr wichtig. Ich bin total gerne in der Natur. Aber ich finde es vor allem visuell reizvoll. Mir gefällt das filigrane daran. An Blumen und Pflanzen interessiert mich vor allem die Feinheit der Struktur. Die findet sich aber auch zum Beispiel in einem Anatomiebuch. So etwas hier, wie eine Zelle zum Beispiel, das ist jetzt keine Pflanze, aber es könnte genauso gut eine sein. Spannende Frage – so genau habe ich das noch gar nicht erforscht.

 

Hast du schon immer diese Collage-Aspekte in deinen Arbeiten angewandt?

Ja. Ich bin keine Illustratorin, die so durchzeichnet. Die Collage war schon immer mein Style. Das hat sich natürlich über die Jahre so ein bisschen verändert. Ich mache das jetzt schon so lange, am Anfang war das mit der Computertechnik noch gar nicht so ausgereift und da habe ich noch geklebt und Originale verschickt. Die wurden dann oft von Fahrradkurieren abgeholt und in den Verlag gebracht und dann dort abfotografiert und gescannt. 

Illustrationen und Collagen von Elke Ehninger aus dem Buch "Freundschaft - das ist wie Heimat" erschienen im Steffen Verlag

Wie hat sich die Coronazeit auf deine Arbeit ausgewirkt?

Wenn es etwas gibt, das an der Coronazeit schön war, dann dass es mit einem Mal viel mehr Zeit gab, durch weniger Aufträge. Ich konnte diese Zeit für mich und meine freie Arbeit im Atelier nutzen. Außerdem gab es viel weniger Ablenkung und Aufgaben. Das hat mir den Druck genommen bzw. es ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass der Druck nicht mehr da ist. Als Freiberuflerin steht man ja immer irgendwie unter Druck. Plötzlich gab es ein Gefühl von – Stillstand. Das hat eine Tür zu wirklicher Ruhe geöffnet. So habe ich es empfunden. Im Laufe der langen Zeit des Lockdowns hat sich das dann auch wieder ziemlich verloren und ich hatte zunehmend das Gefühl, ich sitze hier in meinem goldenen Atelier-Käfig und niemand nimmt meine Arbeit wahr. Diesen Aspekt gab es auch. 

 

An welchem Projekt arbeitest du aktuell?

Da muss ich ein bisschen ausholen. Vor zwei Jahren habe ich ein dialogisches Ausstellungsprojekt mit zwei Autorinnen und einer Illustratorin gemacht. Die Idee hinter dem Projekt war, Illustration und Text gleichberechtigt nebeneinanderzustellen. Normalerweise kommt eine Illustration immer dann erst ins Spiel, wenn der Text schon da ist. Wie etwas, das zusätzlich oben draufkommt. Der Start ist immer der Text. Wir wollten Bilder und Texte auf eine dialogische Art miteinander verknüpfen. Das heißt, auf die Bilder, die wir gemacht haben, wurde mit Text geantwortet. Wir haben das im Wechsel bearbeitet. Es gab ein Herumschwirren von Texten und Bildern zwischen uns vieren, dabei wurde nicht festgelegt, wer was macht – es war ein bisschen wie ein Pool. Die Autorinnen haben Gedichte und Kurzprosa vorgestellt, wir Illustratorinnen die Collagen und jede hat sich sozusagen etwas abgepflückt. 

Es war sehr schön so zu arbeiten. Für mich war es ein absolutes Aha-Erlebnis, dass jemand zu meiner Arbeit eine vollkommen eigenständige Sache machen kann und ich trotzdem herauslesen konnte, wo die Anregungen in meiner Collage zu finden sind. Wenn man die Sammlung aufmerksam anschaut, wird man es auch sehen. In diesem Herbst wird das dialogische Vierer-Projekt unter dem Titel „Wenn ich Flügel hätte“ im Kunstanstifter Verlag als Buch erscheinen. 

Diese Erfahrung hat für mich so gut funktioniert, dass ich das Projekt mit einer der Autorinnen seit zwei Jahren weiterverfolge und wir immer wieder zusammen arbeiten. Daraus ist ein totales Herzensprojekt geworden. Im September werde ich zusammen mit dieser Lyrikerin ein Stipendium antreten dürfen. Wir werden für einen Monat ins Brechts-Hus nach Dänemark ziehen. Das ist in der Nähe von Svendborg im Süden der Insel Fünen, direkt am Meer. Wir wollen unsere Arbeit dort intensivieren, das ist im Alltag nicht so leicht, da gibt es immer viele Baustellen. Und ich bin sehr dankbar, dass wir unsere befruchtende Zusammenarbeit weiterentwickeln können.

06/2021